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Augenspiele

 

Es gehört Urvertrauen dazu, nichts anderes zu malen als Flaschen und Krüge oder ein paar Äpfel. Der Maler ist ein religiöser Mensch. Er sieht auf Schritt und Tritt das Wunderbare.

 

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Was ist ein Baum? Ich denke oft darüber nach und muss lange zurückgehen in der Erinnerung, um eine Kiefer so zu sehen, wie Cézanne sie gemalt hat. Bis in die Kindheit, als ich nicht danach fragte, was diese Kiefer sei, sondern sie einfach ansah.

 

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Stillleben haben den Glanz des Geheimnisvollen, denn ihr Maler hat sich das Staunen bewahrt, mit dem das Kind zum ersten Mal die Welt sieht. Atemlos.

 

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Was Jan Vermeers "Ansicht von Delft" so bemerkenswert macht, ist ihre magische Stille. Man sieht eine Stadt am anderen Ufer, in der es seit dreihundertfünfzig Jahren sieben Uhr ist, in der es nach weiteren fünfhundert Jahren immer noch sieben Uhr sein wird. Kein Rauch steigt auf; die Tore sind geschlossen. Das Ich und die messbare Zeit spielen keine
Rolle. Proust liebte dieses Bild, das so viel mehr weiß als der Maler.

 

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Man muss die Dinge lange anschauen. Plötzlich stehen sie in großer Klarheit da.

 

 

 

 

 

 

© Hubertus Thum

   

Aus: Stimmen hinter der Wand (unveröffentlicht)