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PROJEKT SPERLING  Nr. 80 - 04. September 2008: MORGENANBRUCH

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Wind – mit einem Klang

löst sich die Sonne

vom Horizont

 

 

 

 

Arno Herrmann

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Die Fische im Strom springen vor deinem Angesicht,

deine Strahlen sind im Innern des Meeres.

 

Echnaton

 

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Anmerkungen

 

Die Welt ist Klang. „Ungeheures Getöse verkündet das Herannahen der Sonne“, notiert Goethe als Regieanweisung im ersten Akt des Faust II, und Ariel sagt danach: „Tönend wird für Geistesohren / Schon der neue Tag geboren. / Felsentore knarren rasselnd, / Phöbus’ Räder rollen prasselnd, / Welch Getöse bringt das Licht!“ Arno Herrmanns Haiku lässt diese Zeilen oder andere Erfahrungen spontan in unserer Erinnerung aufleuchten, Ausgangspunkte für weitere Assoziationen, mit denen sich das Kurzgedicht im kreativen Leser entfaltet. Erstveröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Autors.

 

Pharao Echnaton wurde um 1377 v. Chr. geboren. Sein ursprünglicher Name, unter dem er auch zunächst regierte, war Amenophis. Bereits als Heranwachsender muss er visionäre Schlüsselerlebnisse gehabt haben, die ihn zum religiösen Reformator bestimmten. An die Stelle der vielgestaltigen Götterwelt trat Aton, die Strahlensonne, sein einziger Gott, als dessen Sohn und Abgesandten er sich sah. 1347 v. Chr. beschloss er die Gründung einer ausschließlich dem Aton geweihten neuen Residenzstadt, Achet-Aton („Horizont des Aton“), in der Gegend des heutigen Tell-el-Amarna. Die dortigen Grabungen erbrachten Zeugnisse einer bis dahin in Altägypten nie gesehenen teils naturalistischen, teils übersteigert-expressiven Kunst hoher Qualität, als deren Höhepunkt die von der Deutschen Orient-Gesellschaft 1912 gefundene Büste der Nofretete („Die Schöne ist gekommen“) gilt, der königlichen Gemahlin. Die Forschung geht davon aus, dass der in mehreren Gräbern entdeckte hieroglyphische Text des Sonnengesanges von Echnaton selbst verfasst ist. Er belegt eine pantheistisch anmutende, in dieser Frühzeit überraschende Naturliebe und Verbundenheit mit der Schöpfung, die sich in höchst poetischen Bildern ausdrückt. Dem monotheistischen Ansatz war jedoch keine Dauer beschieden. Nach Echnatons Tod kehrten die alten Götter zurück. Auf den Bildwerken wurde sein Name und der des Gottes getilgt, sein Gesicht zerstört. Die Wüste eroberte Achet-Aton. Rainer Maria Rilke schrieb in einem Brief über diese Epoche: „Was war das für ein Moment der Windstille …? Welcher Gott hielt den Atem an, damit diese Menschen um den vierten Amenophis so zu sich kamen? Wo, plötzlich, stammten sie her? Und wie schloss sich wieder, gleich hinter ihnen, die Zeit, die einem ‚Seienden’ Raum gegeben, es ‚ausgespart’ hatte?! …“

Quelle des Zitats aus dem Sonnenhymnus ist Christian Tietze (Hrsg.): Amarna, Lebensräume – Lebensbilder – Weltbilder. Potsdam 2008, S. 220. Der Band begleitet die Ausstellung „Echnaton und Amarna - Wohnen im Diesseits“ im Kölner Römisch-Germanischen Museum (bis 26. Oktober).

 

 

 

 

PROJEKT SPERLING  Nr. 80 - 04. September 2008: MORGENANBRUCH

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